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Die emotionale Qualität von Gestaltung

26. März 2024

Innenräume zu gestalten, ist längst nicht mehr nur ein Zusammenwürfeln von Farben und Möbeln, sondern vielmehr das fein abgestimmte Schaffen von Atmosphären, auch unter Einhaltung von Nachhaltigkeitsaspekten. Mit Julia Schneider aus dem Münchner Gestaltungsbüro iam haben wir deshalb über Inspiration, Leidenschaft und zukünftige Rohstoffe gesprochen.


von Thomas Geuder, Der Raumjournalist


Der Bereich des Interior Designs unterliegt nicht selten lebhaften Trends, die nach einigen Jahren ihren Reiz bereits wieder verloren haben. In Ihrer Werkliste findet man demgegenüber auch Projekte wie die Schausammlung des Diözesanmuseums in Freising, deren Gestaltung eben gerade zeitlos sein musste. Wie entgehen Sie der Versuchung, allzu kurzlebigen Gestaltungsströmungen in Ihren Entwürfen nachzugehen?


Julia Schneider: Ein wichtiger Impuls für mich ist die Leidenschaft. Meine Gestaltung richtet sich konstant nach dem Inhalt, der mir durch unsere Auftraggeber vermittelt wird. Das ist von Projekt zu Projekt sehr verschieden, weswegen ich mich mit meinem Team zunächst dem Zuhören verschrieben habe. Wenn man sich dann leidenschaftlich einem Inhalt, einer Idee, einem Projekt widmet, ist das Modische plötzlich unfassbar unwichtig. Denn nur die Sache zählt. Und die dazu entwickelte Geschichte erweckt die Gestaltung zum Leben.

 


In der Schausammlung im Diözesanmuseum Freising (2022) blickt man vom „Tod“ ins Paradies, verbildlicht durch eine französische Grafiktapete.
© Thomas Dashuber

 

Inspiration ist für Kreative ein wichtiges Elixier ihrer Arbeit. Wodurch und in welchen Situationen lassen Sie sich gerne inspirieren?


Julia Schneider: Kurz gesagt: Museen, Menschen und Musik. Beim Entwerfen habe ich oft einen Sound im Ohr, einen Rhythmus, der die Gestaltung beschwingt. Ich halte sehr viel von Museums-, Ausstellungs- und Kulturbesuchen aller Art. Hier wird man als Innenarchitektin zum Seismografen von Strömungen aus Kultur, Politik und Kunst. Weit mehr als ein Messebesuch inspirieren mich genau diese Reize – obwohl ein Kurztrip nach Mailand, Eindhoven, Paris, Köln oder Kopenhagen noch nie geschadet hat (außer der Umwelt, wenn man nicht den Nachtzug wählt, wie wir). Mit dem Büro besuchen wir einmal im Monat gemeinsam eine Ausstellung in der Region von München. Diesen Ausflug nennen wir übrigens „we are iam“.

 


Die schwarzen Stahlelementen stellen im Bistro National in Davos (2022) einen historischen Bezug zum Bestand her.
© Christine Schaum

 

Gute Innenraumgestaltung ist wichtig. Bauherren bzw. Auftraggeber legen heute jedoch oftmals genauso viel Wert auf die Nachhaltigkeit kompletter Lebenszyklen von Produkten, von den Ausgangsmaterialien über die Herstellung bis zur Entsorgung. Welche Erfahrungen haben Sie in den vergangenen Jahren in diesem Bereich gemacht?


Julia Schneider: Neben der zirkulären Wertschöpfung und der Wahl neuer Materialien legen wir hier im Büro vor allem Wert auf die Nutzung von Vorhandenem. Nachhaltigkeit und Klimaschutz haben für mich außerdem eine soziale Verantwortung inne. Neben dem Blick auf das recycelbare Material sollte man meiner Meinung nach vor allem immer auch den Menschen, den Nutzer betrachten und Räume mit emotionaler Qualität füllen, Nutzungen anpassen und flexible Nutzungen ermöglichen. Die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen DGNB, bei der mein Büro iam Mitglied ist, bietet in diesem Bereich tolle Ansätze für Innenarchitektinnen und Innenarchitekten, um rücksichtsvoll und nachhaltig zu planen.

 


Bei dem denkmalgeschützten Umbau eines ehemaligen Dachsolariums in Davos (2023) dient eine gewisse Leichtigkeit in der Gestaltung als Kontrast zu den historischen Bauelementen.
© Ingo Rasp

 

Zur letztjährigen Munich Creative Business Week haben Sie zu einer Podiumsdiskussion mit Fachbeiträgen zum Thema Myzelium und nachhaltiges Design eingeladen. Welches Potenzial sehen Sie in solchen selbstwachsenden Rohstoffen?


Julia Schneider: In diesen Rohstoffen sehe ich sogar ein riesiges Potenzial! Wir haben mit dem Team von iam im letzten Jahr mit Myzelien direkt selbst experimentiert und in Kooperation mit dem Startup-Unternehmen mycrobez aus Basel (www.mycrobez.ch) eine kleine Myzelienschale entwickelt. Dazu haben wir Materialien aus unserem Kreislauf – also Bioabfälle aus der Produktion unseres Schreiners Gleißner sowie unserer Kaffeeabfälle – mit der Pilzkultur zu unserem Myzelkomposit verschmolzen (www.interior-architects-munich.com/news/sustainabitity). Diese Zusammenarbeit hat uns so viel Spaß gemacht, dass wir bereits an den nächsten Schritt denken, eine Accessoires- und Möbelkollektion „we are iam“ zu entwickeln. Aber, das ist noch Zukunftsmusik.

 


Als Leinwand für besondere Produkte dient das zurückhaltende Interieur im Shop am Domberg in Freising (2021).
© Thomas Dashuber

 

Über Julia Schneider / iam interior.architects.munich

Das Münchner Büro für Innenarchitektur iam interior.architects.munich gestaltet Visionen, optimiert Bestehendes, entwickelt Räume und schafft Identitäten aus Leidenschaft und Überzeugung. Gegründet wurde es im Jahr 2014 von der Innenarchitektin Julia Schneider, die zuvor bereits seit 2007 Inhaberin des Gestaltungsbüros „atelier sv“ war. Von 2008 bis 2010 war Julia Schneider als Dozentin an der Hochschule Rosenheim im Bereich „Entwerfen Innenarchitektur“ tätig, außerdem wird sie immer wieder als Jurymitglied zu Wettbewerben geladen. Mit ihrer fachlichen Expertise engagiert sie sich als Mitglied der Deutsche Gesellschaft für nachhaltiges Bauen (DGNB) und arbeitet u. a. ehrenamtlich für den Verein „Architekten ohne Grenzen“. Das Büro iam ist regelmäßig Preisträger namhafter Auszeichnungen, die Projekte wurden bisher vielfach in einschlägigen Fachzeitschriften und Büchern veröffentlicht.

 



Julia Schneider
© Elias Hassos

 

Website: www.interior-architects-munich.com

 

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