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Carme Pinós - Architektur als Ort der Kreuzungen und Begegnungen

28. Juni 2022

Das Werk der Architektin Carme Pinós, die auf eine lange und renommierte Karriere zurückblicken kann, spiegelt eine tiefgreifende Reflexion zwischen dem architektonischen Objekt und seiner Umgebung wider.

 


Die Architektin Carme Pinós gründete ihr eigenes Architekturbüro im Jahr 1991.
Foto: © Antonio Navarro

 

Über das von ihr geleitete Studio sagt Carme Pinós: „Wir verstehen Architektur als etwas Lebendiges, das in der Lage ist, Wurzeln zu schlagen und sich von dem Boden zu ernähren, der uns umgibt. Wir verstehen sie als Impulsgeberin für Beziehungen, als einen Ort der Kreuzung und der Begegnung.“

 

Als Carme Pinós 2021 den Nationalen Architekturpreis und damit die höchste Auszeichnung des Berufsstandes in Spanien erhielt, hob die Jury neben der Beständigkeit und Exzellenz ihrer Karriere auch die soziale Verantwortung und Nachhaltigkeit ihrer Projekte sowie ihre grenzüberschreitende Tätigkeit hervor, die den Dialog zwischen Architektur und anderen Disziplinen fördert.

 


Escola Massana. Art and Design Centre, Barcelona (2008-2017), Teil der Neugestaltung der Plaça de la Gardunya in der Altstadt von Barcelona. 
Foto: © Duccio Malagamba

 

Carme Pinós wurde 1954 in Barcelona geboren und schloss ihr Studium der Architektur und Stadtplanung an der Escuela Técnica Superior de Arquitectura de Barcelona ab, in einem Jahrgang, in der vier Frauen auf 200 Männer kamen. Nur im Vergleich: Heute sind die Frauen in den Architekturklassen in der Überzahl. Obwohl ihre Arbeiten schon sehr früh auffielen, gehören wohl der Büroturm Cube I in Guadalajara, Mexiko (2002-2005) - das Modell davon wurde 2006 vom MoMA in New York für seine ständige Architektursammlung erworben - oder das Departmentgebäude auf dem WU-Campus in Wien zu jenen Projekten, die ihr den größten internationalen Ruhm einbrachten. Seit 2010 verfügt auch das Centre Pompidou in Paris über mehrere Modelle ihrer Werke.

 

Carme Pinós hat zahlreiche Projekte in den verschiedenen Bereichen der Architektur, Landschaftsarchitektur und Stadtplanung umgesetzt. Es wäre eine enorme Aufgabe, sie alle aufzuzählen, ich werde mich jedoch auf ein bestimmtes Projekt in Barcelona konzentrieren. Denn es ist die Stadt, in der die Architektin geboren wurde und in der sie ihr Büro unterhält, aber auch, weil ich schon mehrmals Gelegenheit hatte, sie zu besuchen. Dabei handelt es sich um jenen Komplex, der die Bebauung der Plaça de la Gardunya mit dem neuen Sitz der Massana School of Art and Design, einem neuen Wohnblock und der neuen Rückfassade des kultigen Boqueria-Marktes an der Rambla im historischen Stadtzentrum von Barcelona umfasst.

 


Massana-Schule. Das große zentrale Atrium, das von einer skulpturalen Treppe durchquert wird, dient als städtische Passage.
Foto: © Duccio Malagamba

 

Die Plaça de la Gardunya, die ein halbes Jahrhundert lang ein Parkplatz war, wurde nach der Umwidmung zu einem öffentlichen Raum, der von den Stadtbewohnern genutzt werden kann. Die Besonderheit ist, dass der Platz auch die negative Seite der von Pinós entworfenen Konstruktionen zeigt. Es handelt sich um ein Projekt, das auf einer sorgfältigen Spurensuche nach dem Ort beruht, der in die vitale Intensität des Raval-Viertels eingebettet ist. Die Gebäude vermeiden die vordergründige Frontalität und koppeln sich an den Strom der Menschen, wobei sie ihre eigene Persönlichkeit zeigen: Die Schule repräsentativ und abstrakt, die Wohneinheiten in häuslichem Maßstab, wohngegen sich wobei sich in der neuen Ordnung die Fassaden zum Markt hinneigen und so eine neue Verbindung mit der Geschichte dieses Ortes schaffen. In allen Fällen werden Räume in Bezug auf die Umwelt kreiert, die miteinander verbunden sind.

 


Hotel Son Brull, Mallorca (2016-2019). Das Projekt zielt darauf ab, Teil der Landschaft zu sein, eine Symbiose zwischen dem Gebauten und der Natur.
Foto: © Ruben Besco

 

Eine weniger bekannte Facette von Pinós ist die der Produktdesignerin, die sie vor einem Jahrzehnt begann. Die Kollektion „Objects“, die von ihrem eigenen Atelier produziert wird, umfasst Behälter und Mehrzweckelemente, bei denen gefaltetes Stahlblech und Holz eine ausdrucksstarke Ästhetik zeigen, und zwar mit einer Philosophie, die darauf abzielt, die Bedürfnisse mit einem Minimum an Mitteln und Materialien zu erfüllen.

 

In Spanien ist es für viele Architektinnen üblich, sich ein Atelier mit ihrem Lebenspartner zu teilen. Carme Pinós allerdings betreibt seit 1991 ihr eigenes Atelier, dessen Prestige durch ihren Vor- und Nachnamen geprägt ist. In ihrer Anfangszeit arbeitete sie jedoch mit dem renommierten Architekten Enric Miralles zusammen, mit dem sie sowohl beruflich als auch persönlich eng verbunden war und den Friedhof von Igualada (1985-1991) entwarf - ein frühes und innovatives Werk, das ihnen große internationale Anerkennung einbrachte. In dieser Stadt, 70 km von Barcelona entfernt, haben sie durch einen einzigartigen Bruch in der Erde, den sie in Form eines Z-förmigen Weges auf verschiedenen Ebenen und einer Pflasterung aus herabgefallenem Laub, das sich im Laufe der Zeit absetzen würde, einen Wendepunkt eingeleitet, der neue Maßstäbe für die Gestaltung von Friedhöfen und Gedenkstätten für die Verstorbenen setzt.

 


MPavilion (2018), Melbourne, entworfen von Carme Pinós.
© John Gollings

 

Im Rahmen ihrer beruflichen Laufbahn hat Carme Pinós zahlreiche Auszeichnungen erhalten, darunter den ARVHA 2017 (Internationaler Französischer Preis für Architektinnen), die Richard J. Neutra-Medaille der Polytechnischen Universität von Kalifornien und den Berkeley-Rupp-Preis 2016 für ihren Beitrag zur Förderung von Frauen in der Architektur sowie ihr soziales Engagement. Außerdem erhielt sie 2015 den Creu de Sant Jordi von der katalanischen Regierung für ihren Beitrag zur Kultur und zur Verteidigung der bürgerlichen Werte. Die jüngste Auszeichnung ist der Arnold W. Brunner Memorial Award 2022, Hauptpreis der American Academy of Arts and Letters. Zusätzlich unterrichtet sie an verschiedenen Universitäten in aller Welt.

 

Dieser Artikel ist eine übersetzte Bearbeitung
des Textes des Originalautors, Marta Rodríguez Bosch


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