25. Februar 2025
In unserer neuen Artikelserie geht es um die intensive Auseinandersetzung mit jenen Orten, an dem etwas Neues entstehen soll: in der Stadt, auf dem Land oder irgendwo dazwischen. Der Fokus liegt dabei auf dem Umgang mit dem, was schon da ist – ortsbildprägend, ikonisch, unverwechselbar und damit identitätsstiftend. In der Frage nach dem „Wie geht es weiter?“ gibt es immer mehr Designer*innen, Bauherr*innen, Architekt*innen und Makler*innen, die sich vorstellen können, aus etwas Altem etwas Neues zu machen.
von Barbara Jahn
Bauen ist in den letzten Jahren sehr teuer geworden. Neubauten stagnieren aus unterschiedlichsten Gründen, werden geplant, aber nicht umgesetzt. Zumindest noch nicht, denn sie werden ganz klassisch „aufs Eis“ gelegt. Doch diese „Eiszeit“ ist gleichzeitig die Chance für einen nachhaltigeren Umgang mit bereits bestehender Architektur: Die intensivere Suche nach geeigneten Objekten, die zu einer persönlichen Vision und Lebensphilosophie passen, und die Bereitschaft, diese auch zu finden, anzunehmen und deren Geschichte weiterzuschreiben, führen automatisch zu einer höheren Trefferquote, ein altes Gebäude zu finden, in oder mit dem man seinen Plan umsetzen kann. Auch wenn es bedeutet, dass man manchmal dennoch ganz von vorne anfangen muss.
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Alte Mauern, neuer Inhalt: Die Vision für den alten Bauernhof von Erwan Bouroullec in Burgund wurde vom Architekturstudio LVA umgesetzt.
© Philippe Thibault
Ein wunderbares Beispiel für diesen Weg ist das Projekt eines alten Burgunder Bauernhofs, mit dessen Sanierung und Umsetzung seiner Ideen der bekannte Designer Erwan Bouroullec das von Guillaume Le Dévéhat und Charlotte Vuarnesson gegründete Architekturstudio LVA beauftragte, mit dem Ziel, das Vorhandene zu respektieren, die Spuren der Vergangenheit und die althergebrachten Gesten aufzuwerten und dem Ort einen vielseitigen und zugleich dauerhaften Charakter zu verleihen. Das alte Gebäude steht inmitten einer natürlichen Landschaft mit Wiesen und Wäldern, eine Umgebung von der es nicht losgelöst werden, sondern innerhalb des historischen Rahmens zu seiner neuen Bestimmung finden sollte - eine bäuerliche Architektur einer neuen Generation, von reiner und radikaler Schönheit, die ebenso bescheiden in ihrer Sprache wie effizient in ihren Umweltqualitäten ist und sich zukünftig zu einem vielschichtig nutzbaren Ort entwickelt.
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Dialog mit dem Ort: Große Fensterflächen bringen viel natürliches Licht in die neuen Räume und rahmen die umliegende Landschaft.
© Philippe Thibault
Die Aufgaben für das Architektenteam waren klar definiert: Die historisch gewachsenen Schichten des Gebäudes sollten unbedingt erhalten bleiben. Zwar sollte etwas Neues daraus entstehen, aber so, dass die eigene Geschichte des Gebäudes nicht verloren geht und mit all seinen Erinnerungen und Geschichten auch in Zukunft gelesen werden kann. Deshalb galt es, das Vorhandene neu zu interpretieren, ohne es zu verfälschen. Schließlich sollte die Schönheit der bäuerlichen Architektur sichtbar bleiben, was dadurch gelungen ist, das man historische Materialien in den Entwurf miteinbezog, Strukturen freilegte und diesen Rohzustand bewahrte. Gleichzeitig wurde das Haus zu neuem Leben erweckt, in dem es komplett saniert, mit einem neuen Raumkonzept bespielt und so vor dem kompletten Verfall gerettet wurde.
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Ergänztes Raumgefühl: Die neuen Bauelemente wie Treppen und Wände wurden behutsam in die alte Hülle hineingesetzt.
© Philippe Thibault
Der Aufwand war enorm, denn die Nicht-Veränderung war Teil der Veränderung. So sollte das natürlich geneigte Gelände und auch der durchgängige Charakter des Hauses beibehalten werden, um die Landschaft möglichst wenig zu beeinträchtigen und für eine gute Durchlüftung zu sorgen. Während einerseits doppeltisolierte Fenster, eine Fußbodenheizung und Holzöfen eingebaut wurden, wurde der neue Dachstuhl mit Holz eingedeckt und die alte Silage-Grube zu einem Naturschwimmbecken umfunktioniert. Die umliegende Natur, Sonne, Wind und Regen sollen durch die großen Fensteröffnungen direkt spürbar gemacht werden, aber auch gut genutzt – die Sonne wärmt die alten Mauern und das Douglasienholz der Innenräume, der Regen sammelt sich in einem unterirdischen Tank für die Bewässerung des Gartens und des Pools. Im Inneren wurden zwischen den Steinmauern leichte Holzrahmenwände errichtet, die einerseits durchgehende zentrale Räume und andererseits Rückzugsbereiche schaffen. Die Stürze der Maueröffnungen wurden aus dem abgetragenen Eichenholz des abgebauten Dachstuhls, Treppen aus Steinen, die rundum das Haus gefunden wurden, gebaut. Der Kreislauf schließt sich.
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Räumliche Verbindung: Das verbindende Element über alle Ebenen hinweg ist hier der Fußboden, der für die Liebhaber des großstädtischen und Urban-Chic-Stils zusätzlich unterstreicht.
© Jana Sebestova
In einem Innenhof der italienischen Metropole befand sich bis vor kurzem eine leere Karosseriewerkstatt, die vor sich hindämmerte, bis sie die Innenarchitektin Paola Marè aus ihrem Dornröschenschlaf holte und ihr den Namen „Loft M50“ gab. Nach erfolgreichen Renovierungs-und Umbaumaßnahmen erstrahlt die ehemalige „Autoklinik“ in neuem Glanz, verleugnet aber dabei nicht das, was sie früher einmal war: ein Industriebau, dessen Charme nun mit Bodenbelägen aus Feinsteinzeug, insbesondere im Wohnbereich, in der Küche und im Badezimmer, in unterschiedlichen Grautönen einmal mehr unterstrichen wird.
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Alles im Fluss: Das Feinsteinzeug von Casalgrande Padana, ein innovatives keramisches Material, erzeugt einen wolkenartigen Effekt, der die Ästhetik und Chromatik des Bodens in unterschiedlichsten Formen interpretieren lässt.
© Jana Sebestova
Im Erdgeschoss befinden sich der großzügige Wohnbereich, der als Open Space-Konzept das Herzstück des Apartments bildet. Nur durch eine gemauerte Trennwand abgeschirmt befindet sich der angrenzende Essbereich sowie das Hauptbadezimmer, ein begehbarer Kleiderschrank und, ein Arbeitszimmer, das durch eine Schiebetür mit Holzlamellen vom Rest des Hauses abgetrennt ist. Auch ein Außenbereich bereichert dieser Ebene. Auch der Eingangsbereich befindet sich hier und wurde mit Tapeten gestaltet. Die obere Etage wird durch Zwischengeschosse und damit für Lofts typische Architekturelemente definiert. Charakteristisch für den gesamten Raum ist der Kontrast zwischen dem Weiß der Bodenbeläge und Wandverkleidungen, dem Schwarz des Eisens und der Möbel und der Wärme, die die Elemente aus Birkenholz an den Raum abgeben.
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Gewinn auf ganzer Länge: Die Raumhöhe der ehemaligen Autowerkstatt mitten in der Stadt wurde perfekt ausgenützt – Stadtverdichtung als Vorzeigebeispiel.
© Jana Sebestova
Um die Fläche von 146 Quadratmetern und auch die Raumhöhe bestens zu nutzen und einheitlich zu gestalten, wurden bei der Renovierung die Trennwand zwischen den beiden schmalen und langen Lagerhallen entfernt und drei Zwischengeschosse aus Metall eingebaut. Auf der Galerie im Zwischengeschoss befindet sich das Schlafzimmer mit einer in den Boden eingelassenen Whirlpool-Badewanne und einem weiteren kleinen Badezimmer. Im dritten Geschoss wurde schließlich der Gästebereich eingerichtet. Zugunsten einer gewissen Raumdynamik wurden die Treppen, die zu den Zwischengeschossen führen, in verschiedenen Formen und Farben gestaltet. Zusätzlich wurde mithilfe einer sorgfältigen Lichtgestaltung eine besondere Atmosphäre für die verschiedenen Funktionsbereiche geschaffen. Zur Gestaltung eines privaten Außenbereichs, einer helleren Ausleuchtung des Innenraums und damit zugunsten einer Kontinuität zwischen Innen-und Außenbereich wurde ein Teil des Daches entfernt und die Terrasse an zwei Seiten durch große Schiebefenster eingefasst.
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Gebautes Kleinod: Das denkmalgeschützte Architektenwohnhaus R15 von 1927 glänzt auch heute noch in seiner ehemaligen sommerlichen Frische, mit der es errichtet wurde.
© Squaremeter – Makler & Architekten, München
Gleich so nehmen wie es ist kann man das denkmalgeschützte und zum Verkauf stehende „Architektenwohnhaus R15“ im Münchner Stadtteil Obermenzing, eine architektonische Rarität, die der Münchner Architekten Rudolf Knecht 1927 im Stil eines Sommerhauses für sich selbst entworfen und erbaut hat und als einmalig und unwiederbringlich gilt. Bis heute zeichne sich das Gebäude durch zahlreiche, erhaltene Bau- und Ausstattungsdetails aus, darunter Kreuzgratgewölbe, Schildbögen sowie spitzbögige Tür-, Fenster- und Klapplädenformen. Neben der historischen Kassettendecke in der Wohnstube gelten auch die Einbaumöbel als ein einmaliges Gesamtkunstwerk der ausgehenden 1920er-Jahre in München. Auch im Außenbereich sind sämtliche Gestaltungselement noch bestens erhalten: So sind auch die Spalieranlage mit Freisitz und Toranlage weitestgehend erhalten. So setzt sich das ganzheitliche Bild bis in die Gartengestaltung fort.
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Gelebte Geschichte: Das höchst funktional eingerichtete Haus fasziniert mit einem unglaublichen Detailreichtum, den man heute nur noch selten sieht.
© Squaremeter – Makler & Architekten, München
Und doch gibt es einen Punkt, für diese Idylle nicht unheikel ist, denn im hinteren Teil des etwa 820 Quadratmeter großen Grundstücks gibt es einen Anbau aus den 1960er Jahren, der nicht Teil der Denkmalgeschützten Architektur ist und im Zuge einer neuen Bebauung auf dem westlichen Grundstücksteil rückgebaut werden kann. Also Herausforderung und Chance zugleich – nicht nur für den Eigentümer, sondern für das mit dem mit dem Verkauf betrauten Büro Squaremeter, das sowohl über die Expertise von Architekten als auch von Maklern verfügt. Wie geht man also richtig um? „Das Architektenwohnhaus R15 hat bereits eine große mediale Aufmerksamkeit und damit Begehrlichkeit erfahren, die dazu geführt hat, dass unsere Makler-Architekten Expertise noch wichtiger geworden ist. Baudenkmäler und oftmals angrenzende Freiflächen sind in Deutschland keine Seltenheit – zum Wohlergehen der Städte, Gemeinden und aller Beteiligten muss hier zwingend eine ganzheitliche Betrachtungsweise etabliert werden“, sagt Tobias Schneider, Squaremeter – Makler & Architekten, München.
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Liebhaberstück: Neben der historischen Architektur ist es auch die originalerhaltene Einrichtung, die auf wertschätzende Bewohner wartet.
© Squaremeter – Makler & Architekten, München
Durch eine professionelle Aufbereitung und dem Hinzuziehen einer Denkmalhistorikerin gelang Squaremeter ein sicherer Bewertungs- und Verkaufsprozess. Stand heute hat der von Squaremeter geplante Bauvorbescheid für einen harmonischen, architektonisch anspruchsvollen Neubau bereits Käufer-Zuspruch gefunden. Das historische Architektenwohnhaus sucht aktuell noch einen Liebhaber und Käufer, der das außerordentliche Engagement aller Beteiligten wertschätzend weiterführen möchte. „Städtebauliche Aufgaben gehören in jeglicher Hinsicht zu den relevanten Themen unserer Zeit. Sie gelten als Schlüssel einer resilienten Gesellschaft und haben damit eine enorme Relevanz. Menschen fühlen sich im Kontext von historischen Gebäuden oft geborgen. Diese sinnvoll zu erhalten und mit modernen Gebäuden zu ergänzen, bietet eine designorientierte Chance zur Gestaltung unserer Städte“ ist Melanie Straub, Squaremeter – Makler & Architekten, München, überzeugt.
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© Squaremeter – Makler & Architekten, München
Sich als Architekt der Aufgabe zu stellen, gewachsene Strukturen zu nutzen, sie auszureizen, aber gleichzeitig darauf zu achten, sie nicht unkenntlich zu machen, sondern einfach an der Geschichte eines Gebäudes ein neues, schönes Kapitel zu schreiben, bleibt eine Herausforderung. Wahrscheinlich eine der spannendsten überhaupt, und in jedem Fall eine, die nachhaltig Bausubstanz und Stadt- beziehungsweise Landschaftsbilder erhält, die immer schon vertraut und identitätsstiftend waren und es so auch bleiben können.